Die Frage, ob bildende Werte mit Bildungswerten gleichzusetzen sind, eröffnet einen tiefen Einblick in das Verständnis von Bildung und den damit verbundenen Werten, die unser Leben formen und leiten. Um diese Frage angemessen zu beantworten, ist es notwendig, sowohl den Begriff der "Werte" als auch den der "Bildung" historisch und philosophisch zu betrachten. Dabei lohnt es sich, eine Brücke zwischen bildenden Werten – also denjenigen Werten, die uns durch soziale, ethische und kulturelle Prägungen formen – und Bildungswerten, die aus institutionellen, erzieherischen und oft intellektuellen Zielsetzungen resultieren, zu schlagen.
Werte sind grundlegend für das menschliche Zusammenleben. Sie prägen unser Verständnis von Moral, Ethik und sozialer Verantwortung. Diese Werte vermitteln nicht nur ein Gefühl von Gemeinschaft, sondern auch eine Orientierung, die den Einzelnen in seinen Handlungen leitet. In einer bestimmten Gesellschaft oder Kultur entstehen und entwickeln sich diese Werte durch Religion, Philosophie, Kunst und Literatur und werden an kommende Generationen weitergegeben.
Bildende Werte beziehen sich auf diese soziale Dimension. Sie formen uns als Menschen und leiten unser Verhalten, unsere Entscheidungen und letztlich auch unseren Charakter. Sie sind oft das Produkt jahrhundertelanger kultureller und moralischer Traditionen. Sie wirken prägend auf das Individuum und die Gesellschaft und schaffen den Rahmen für ein harmonisches Zusammenleben.
Bildung hingegen geht historisch über die reine Wissensvermittlung hinaus. Schon in der griechischen Antike war Bildung eng verknüpft mit der Idee der "Paideia", einer umfassenden Formung des Menschen zu Tugend, Wissen und politischer Handlungsfähigkeit. In Deutschland griffen die großen Denker der Aufklärung, insbesondere Wilhelm von Humboldt, diese Idee auf und prägten die Vorstellung einer "Bildung um ihrer selbst willen". Humboldt sah Bildung nicht nur als reines Wissen, sondern als ein Prozess, der die Fähigkeit des Menschen entwickeln sollte, sich selbst und die Welt kritisch zu reflektieren. Bildung, so Humboldt, sei eine Wechselwirkung von individueller Entwicklung und kultureller Teilhabe, die den Menschen nicht nur intellektuell, sondern auch moralisch und sozial formt.
Aus dieser Perspektive entstehen Bildungswerte, die wir als ideelle Ziele von Erziehung und Unterricht betrachten. Dazu gehören kritisches Denken, Selbstbestimmung, Kreativität, soziale Verantwortung und die Fähigkeit, zu einem mündigen Mitglied der Gesellschaft zu werden. Bildungswerte sind also jene Prinzipien, die durch systematische und institutionelle Bildungsprozesse vermittelt werden sollen.
Sind bildende Werte also gleich Bildungswerte? Auf den ersten Blick scheinen beide Konzepte eng miteinander verwoben. Bildungswerte bauen auf den Grundannahmen von bildenden Werten auf. Ohne das Fundament von bildenden Werten wie Respekt, Toleranz und Gemeinschaftssinn wäre Bildung im umfassenden Sinne kaum möglich. Diese Werte sind Teil der Sozialisation, die uns erst befähigt, in einem Bildungssystem erfolgreich zu lernen und zu reflektieren.
Doch während bildende Werte durch den Alltag, das soziale Umfeld und kulturelle Prägung entstehen, sind Bildungswerte spezifischer. Sie richten sich stärker auf die kognitive und ethische Entwicklung des Einzelnen im Kontext von Erziehung und formeller Bildung. Bildungswerte dienen nicht nur dem sozialen Miteinander, sondern haben auch das Ziel, den Menschen als Individuum zu fördern – ihn zu ermächtigen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und seine Potenziale zu entfalten.
Ein bedeutender Unterschied zwischen bildenden Werten und Bildungswerten liegt in der bewussten Vermittlung. Bildungswerte sind das Ergebnis von geplanten Lehr- und Lernprozessen, die innerhalb von Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen stattfinden. Sie setzen einen institutionellen Rahmen voraus, in dem Wissen und Fähigkeiten systematisch erlernt und gefördert werden. Bildende Werte hingegen entstehen oft auf informelle Weise durch das familiäre Umfeld, die gesellschaftliche Praxis oder kulturelle Traditionen. Sie können, müssen aber nicht im Rahmen von formeller Bildung vermittelt werden.
Ein Blick auf die Geschichte der Pädagogik zeigt, wie sich das Verständnis von Werten in der Bildung im Laufe der Zeit verändert hat. In der Antike etwa betonte Platon in seiner "Politeia" die Notwendigkeit, Philosophenkönige zu erziehen, die sowohl moralisch als auch intellektuell die höchsten Werte verkörpern sollten. Im Mittelalter lag der Fokus stärker auf religiösen Werten und der Erziehung im Sinne des Glaubens. Mit der Aufklärung und der Moderne verschob sich der Schwerpunkt auf die Autonomie des Einzelnen, die Entwicklung der Vernunft und die Fähigkeit zur Kritik.
Die Reformpädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vertreten durch Denker wie Maria Montessori, John Dewey oder Rudolf Steiner, legte besonderen Wert auf die Einheit von Bildung und Lebenspraxis. Hier wurde Bildung als ein Prozess verstanden, der das Kind ganzheitlich – sowohl intellektuell als auch emotional und moralisch – formt. Diese Denker sahen eine enge Verbindung zwischen bildenden und Bildungswerten, da sie davon ausgingen, dass jede echte Bildung auf der Entwicklung von sozialem Bewusstsein und ethischen Werten beruhen müsse.
In der heutigen Pädagogik steht die Vermittlung von Kompetenzen und die Förderung von Selbstständigkeit im Vordergrund. Es wird jedoch immer wieder betont, dass diese Ziele nur dann erreicht werden können, wenn sie in einen wertorientierten Kontext eingebettet sind, der die bildenden Werte des Respekts, der Fairness und des gegenseitigen Verständnisses berücksichtigt.
Bildende Werte und Bildungswerte sind eng miteinander verknüpft, aber nicht identisch. Bildungswerte wie Autonomie, kritisches Denken und Verantwortung setzen auf einem Fundament von bildenden Werten auf, die sich im sozialen Kontext herausbilden. Bildung ist ohne eine wertebasierte Erziehung undenkbar, und umgekehrt sind bildende Werte die Grundlage für jede nachhaltige Bildungsentwicklung. Dennoch unterscheiden sich beide in ihrer Entstehung, ihrer Vermittlung und ihrem Ziel.
In der heutigen Zeit, die durch ständige Veränderungen in Kultur, Technologie und Politik geprägt ist, ist es umso wichtiger, die Bedeutung von Werten in der Bildung zu betonen. Nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Eltern und Kinder sind gefragt, diese Werte aktiv zu gestalten und zu leben.
Wenn Sie Fragen zu Bildungswerten haben oder Unterstützung für Lehrkräfte, Eltern oder Schüler suchen, stehe ich Ihnen gerne zur Seite. Egal, ob es um konkrete Bildungsfragen, die Erarbeitung von Lernmaterialien oder das Engagement von Eltern in der Bildung ihrer Kinder geht – ich freue mich darauf, Sie mit meiner langjährigen Erfahrung als Lehrer und Lehrbeauftragter zu unterstützen.
Letzte Aktualisierung: 14.07.2024